Gestern schrieb ich über die falsche Entscheidung, den AstraZeneca Impfstoff zu verbieten. Vorschnell und politisch motiviert, so lautete meine Meinung. Das bedeutet aber nicht, dass man der Regierung jeden falschen Schritt übel nehmen sollten. Es ist wichtig, differenziert zu kritisieren und sich nicht gierig auf jeden 'faux pas' zu stürzen. Das größte Hindernis für gutes Pandemiemanagement sind die Bundestagswahlen geworden. Vieles, was nicht Politik ist, ist jetzt politisch . Dabei sehen wir am Beispiel Boris Johnson, dass diese Einstellung falsch ist. Rückblick: Im ersten Jahr der Pandemie achtete Johnson mehr auf Umfragen als auf ein systematisches Vorgehen. Das führte dazu, dass der wichtigste Maßstab für Entscheidungen nicht wissenschaftliche und wirtschaftliche Grundlagen waren, sondern das öffentliche Bild seiner Partei. Die Deutschen sahen sich in ihrer Meinung über den Brexit bestätigt. Der Spiegel titelte sogar: "Boris Johnson macht sich zum Gespött." Jetzt scheint aber unsere Regierung das Gegenteil von dem zu machen, was sie letztes Jahr in Europa zum Pandemie-Weltmeister machte. Maßnahmen sind darauf ausgerichtet, kurzweilig die Bevölkerung zu befriedigen. Dabei ist die beste Art, den Wähler zu überzeugen, ein Gefühl der Stabilität und Kontinuität zu vermitteln. Da hilft der Machtkampf zwischen Laschet und Söder wenig. Überhaupt haben Minister wie Jens Spahn sowieso nicht viel zu verlieren. Im Dezember lag Spahn in den Umfragen auf Platz 2 hinter Merkel, anfang dieses Monats nur noch auf Platz 6. Um Respekt aufzubauen, sollte jetzt das Motto "Underpromise and Overdeliver" gelten. Ich gestehe: Ich war und bin immer noch ein Merkel-fan. Sie hat aber einen fatalen Fehler gemacht: Bundesaufgaben nach Europa zu delegieren. Brüssel ist in solchen Sachen vollkommen unerfahren, hat noch nie Impfstoff bestellt. Deswegen wäre es solidarischer für die EU und besser für Deutschland gewesen, wenn die reichen Länder für sich selber bestellt und eine angemessene Summe Geld in einen von der EU verwalteten Fond gesendet hätten. Dieser hätte dann von den Zuständigen in der EU benützt werden können, um für Länder wie Rumänien oder Portugal Impfstoff zu bestellen. Diesmal hätte der SPD-Spruch 'starke Schultern müssen mehr tragen als Schwache' durchaus seine Richtigkeit gehabt. Apropos: "vom Corona-Verlierer zum Cheflockerer" sagt der Spiegel jetzt über Boris Johnson.
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